
Jeremy O. Harris (29) ist Dramatiker und Schauspieler und spätestens seit dem 20. Mai 2019 auch Journalist. Denn er bekam die Ehre Rihanna für das amerikanische „T“-Magazin zu interviewen. Doch statt wie üblich in der Sonntags-Ausgabe der New York Times zu erscheinen (wie zuletzt die „The Greats“-Ausgabe im Okt. 2015), ziert Rihanna nun die aller erste digitale Ausgabe des Beiheftes. Im ersten Interview seit fast einem Jahr, stellt Rihanna dann hauptsächlich ihre neue Modelinie „FENTY“ vor. Doch sie wird auch persönlich, spricht u.a. darüber, dass sie Ängste am liebsten meide und gar nicht wirklich aufs Geld achten würde. Außerdem scherzt sie ein wenig über den Titel ihres neuen Studioalbums herum und erzählt wie das Leben so in London ist – wo sie seit knapp einem Jahr mit ihrem Freund Hassan Jameel lebt.
Während das Interview am 22. April in Shoreditch (London) geführt wurde, schoss Fotografin Kristin Lee Moolman die Bilderstrecke knapp eine Woche darauf. Jeremy ist ihr wohl aber hängengeblieben, schließlich hat er seinen eigenen Angaben zufolge jetzt sogar ihre Handynummer. Sein „Glück“ könne er daher immer noch nicht fassen, schließlich habe er am Tag der Veröffentlichung auch gerade erst seine Uni-Abschlussfeier gefeiert. Das recht üppige Interview wurde übrigens gekürzt, sodass viele weitere spannende Informationen es nur auf seine Twitter-Timeline schafften. Da er sie nach dem Interview nämlich noch in das Confiserie-Fachgeschäft von „Dark Sugars“ ausführte, erfuhr er noch weit mehr, als es die Zeilen im Interview zuließen. So verriet er via Twitter nämlich noch, dass Rihanna wohl total auf „Krimi-Dokumentationen rund um wahre Morde“ stehen würde, sie ein Fan des russischen Novellisten Chekhov sei und ihr das Theaterstück „Hamilton“ gefallen würde. Außerdem habe sie ihm verraten, dass sie sich hin und wieder mal inkognito in Sephora-Stores schleichen würde, um heimlich die Reaktionen der Kunden einzufangen. Ihr Stylist Jahleel Weaver – und zeitgleich Co-Designer der Marke FENTY – habe ihm derweil noch folgendes über neue Musik von Rihanna verraten: „Das geschieht alles simultan. Alles ist ständig in Betrieb. Wir führen unsere Business-Meetings teilweise im Aufnahmestudio.“ Auch Rihanna spricht im veröffentlichten Interview natürlich über neue Musik und kündigt „R9“ erneut als ein Reggae-Projekt an. Das komplette Interview gibt es hier auf deutsch zu lesen:
Was schätzt Du besonders daran jetzt in London zu leben?
Ich kann jetzt um den Block laufen.
Moment mal… Du kannst um den Block gehen? Denn hier haben sie doch jetzt alles stilllegen müssen [damit Du herkommen kannst]?
Heute ist es ja auch kein üblicher Tag. Es ist Feiertag. Dann ist immer jeder unterwegs, das ist verrückt.
Erkennen Dich die Menschen denn?
Ich versuche mich immer ein wenig inkognito zu halten, sobald ich das Haus verlasse.
Immerhin bist Du ja auch RIHANNA. Was mich übrigens auch zur ersten Frage bringt: Was hat Dich dazu bewegt mit LVMH zusammenzuarbeiten? Ich habe das Gefühl, dass Du doch auf demselben Level stehst, eventuell sogar größer als die bist?
Whoa. Das ist schon verrückt zu behaupten.
Aber es ist doch die Wahrheit. Die Zahlen lügen nicht…
Ich habe mich langsam durch die Modewelt herangetastet. Habe Mode erst getragen, dann gekauft und wurde erst später für meinen Modestil anerkannt und von Marken angeworben. Ich hatte nie vor bloß meinen Namen auf etwas zu klatschen, in dem ich schlicht und einfach eine Lizenz erteile. Ich bin schon ziemlich praxisorientiert, also wollte ich es langsam angehen und erst einmal den Respekt als Designerin erlangen. LVMH und ich stehen schon seit der „Secret Garden 4“-Kampagne für Dior in Kontakt, sodass später die Kosmetiklinie entstand. Irgendwann wurde das Angebot für mich erweitert. Es lag quasi auf der Hand. Immerhin ist LVMH eine Maschine und Bernard Arnault war so enthusiastisch über das Projekt. Er vertraute mir und meiner Vision.
Als sie mit der Idee auf Dich zukamen, hast Du dann schon damit gerechnet mit dem Slogan „erste dunkelhäutige Frau“ zu werben?
Nein. Es war mir sogar über Monate hinweg nicht einmal bewusst, bis mir mein Stylist Jahleel Weaver davon erzählte. Ich habe es gar nicht glauben können und ihn gefragt, ob er denn richtig recherchiert hätte. Ich will ja nicht einfach irgendeine Behauptung aufstellen, da ich es echt nicht fassen konnte. Aber es machte mich echt stolz.
Anhand welcher Modelle hast Du gearbeitet – oder bist Du schlicht von einer Aufgabe zur nächsten gegangen?
Als Kind habe ich nie davon geträumt. Ich wollte Musik machen und das war’s. Meine Gedanken drehten sich nicht einmal um den Ruhm – er kam einfach und ich fragte mich immer wieder: „Gefällt mir das überhaupt? Wie sehr liebe ich die Musik wirklich, dass ich damit umgehen muss?“ Als dann aber die ersten „One-Hit-Wonder“-Schlagzeilen kamen, entfachte das Feuer in meinem Hintern und ich hörte nie mehr auf zu arbeiten. Ich forderte mich immer wieder neu heraus und wollte immer besser werden. Was kam also als nächstes? Ich habe meinen ersten Grammy gewonnen. Doch auch der wurde in dem Moment ein Teil meiner Vergangenheit, als ich den Award in meine Hände bekam. Ich habe immer wieder an das nächste Projekt gedacht, was schrecklich ist – immerhin sollte man doch auch den Moment genießen können. Ich fing daher an mich in andere kreative Märkte zu schleusen und das ist letztendlich das, was mich glücklich macht.
Einer meiner Mentoren sagte mir mal: „Lass Dir niemals das Recht des Versagens nehmen.“
Weißt Du was wirklich verrückt ist? Ich habe auf meiner Brust ein Tattoo, welches rückwärts geschrieben ist, sodass ich es selbst im Spiegel lesen kann: „Niemals ein Fehler, immer eine Lektion.“ Was Du daher eben gesagt hast, stimmt mit dem völlig überein. Wie willst Du was lernen ohne Fehler zu begehen? Hast Du Deiner Mutter geglaubt, als sie Dir verboten hat, das Bügeleisen anzufassen?
Nein. Niemand hat es ihr gelaubt.
Du MUSSTEST es anfassen, richtig? Du musstest Dich einfach verbrennen.
Welche Lektionen lässt Du in das FENTY-Projekt einfließen?
So viele, immerhin ist es der Beginn einer neuen Welt. Es war von Anfang an eine Kollaboration: Ich habe meine DNA in ihre verbaut, doch ein erster Bauplan stand ja schon. Und ich lerne so viel dazu: Übers Schneidern und über so viele verschiedene Stoffe. Ich habe Textilien kennengelernt, die ich nie zuvor in meinem Leben gesehen habe.
Was für Textilien denn?
„Weapon“ ist eines davon. In dem Stoff haben wir letztendlich auch unsere Anzüge produziert. Auch die Produktion von Luxusgütern ist eine ganz andere. Die Techniken die es da gibt: Das ist schon verrückt.
Ich mein… allein das Ausrichten Deiner Kleider…
Ich liebe Korsetts [steifes Kleidungsstück, das eng am Oberkörper anliegt]. Wir haben das in unsere Anzüge, Kleider, Shirts, Jeansjacken und Shirt-Kleider eingearbeitet.
Es ist so weiblich. Du verwendest aber auch viele traditionell eher männliche Formen, um eine komplexe Geschichte über die FENTY-Person zu erzählen. Wie steht der FENTY-Mensch zur Weiblichkeit und Männlichkeit?
Ich benutze mich selbst als Muse [eine kreative Inspiration]. Ich trage Jogginghosen mit Perlen oder eine männliche Jeansjacke mit eingebundenem Korsett. Ich habe das Gefühl, dass wir in einer Welt leben, in der die Menschen sich selbst voll und ganz akzeptieren. Schau doch mal auf Jaden Smith oder Childish Gambino. Sie akzeptieren keine andere Meinung.
Für mich bedeutet „Rihanna sein“ auf einer Yacht zu twerken und mit einem Weinglas aus einer Bar zu treten. Du bist wie der moderne Dionysos [gr. Gott des Weines]: Eine Party-Göttin oder zumindest eine Frau, die gerne mal ausgeht. Klingt das realistisch, jetzt wo Du doch FENTYs eigene Muse bist?
In der Hinsicht gab es eine klare Entwicklung. Anfangs war es schlicht meine Kultur, mein Leben. Heutzutage, ob Du es glaubst oder nicht, sind Partys Teil meines Jobs. Ich gehe gar nicht mehr aus. Wenn überhaupt dann gehe ich was essen. Ich versuche während der Arbeit so viel Spaß wie nur möglich zu haben. Und selbst nach der Arbeit, lade ich mein Team noch auf einen Drink in der eigenen Küche ein. Und selbst da arbeiten wir irgendwie immer noch.
Meinst Du, dass diese Mentalität daher kommt, dass Deine Angestellten quasi wie Deine Familie sind?
Ich sehe sie schließlich öfters als meine eigene Familie und verbringe den größten Teil meines Lebens mit ihnen. Es ist erst eine Freundschaft. Später entwickelt sich ein familiäres Verhältnis daraus, weil man sich so sehr aufeinander verlässt. Ich bin mir sicher, dass das in anderen Unternehmen anders aussieht.
Was hat Dich dazu bewegt Deinen Familiennamen als Anker Deiner Firmen zu verwenden?
Ich hatte Angst in die Prominenten-Kosmetikbranche einzutreten. Ich habe mitbekommen, wie die Marken von Hilary Duff oder Hannah Montana Erfolge erzielten. Doch irgendwann war der Punkt erlangt, an dem der Markt übersättigt von ihren Produkten war, dass dadurch selbst die persönliche Marke dahinter abgeschwächt wurde. Ich wollte das nicht, weil ich nicht wollte, dass ich meinen Respekt oder meine Glaubwürdigkeit verliere. Mir war es daher wichtig, dass jedes Projekt außerhalb der Musikbranche eher mit „FENTY“ verbunden war. Ich wollte nicht, dass man ständig mit „Rihanna“ in Berührung kommt. Rihanna blieb daher bei der Musik, die Person. Alle anderen Labels hören auf FENTY.
Weißt Du eigentlich woher der Name kommt?
Du bringst mir jetzt wahrscheinlich was bei, was ich selbst nie wusste. Ist es irisch?
Nein, es ist spanisch und portugiesisch. Es wurde vom Wort „infante“ abgeleitet – einem Titel, dem man royalen Kindern verlieh.
Erzähl mir doch keinen!
Es ist ein mittelalterlicher Name.
Das macht mich gerade verrückt.
Macht es Dich nicht auch verrückt, dass FENTY so viele Türen öffnet? Du öffnest quasi anderen weiblichen und auch dunkelhäutigen Designern die Türe?
Ich betrachte meine Arbeit bei FENTY gerne als Knotenpunkt. Ich schaue mir gerne Kollektionen von Uni-Absolventen an. Von Menschen, die kurz davor sind die Uni zu beenden oder bei mir arbeiten wollen. Das haben wir schon bei zahlreichen jungen Designern gemacht. Selbst wenn Du noch nie was in Deinem Leben entworfen hast, kannst Du trotzdem einen makellosen Geschmack für Mode haben. Daher heiße ich jede Vision willkommen. Genau darauf kommt es ja auch an. Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich alles weiß. Ich bin ziemlich geschickt, wenn es um meinen Ordnungssinn geht. Ich schätze jede Expertise und vor allem junge, neue Talente.
Wer war Dir gegenüber denn großzügig mit seinem Wissen?
Jay Brown. Mein Manager, der als mein A&R angefangen hat [ein Zuständiger für die Besorgung neuer Musiktitel]. Er hat die Vaterrolle in meinem Leben übernommen.
Jahleel Weaver sagte mir, dass Du ihm die absolute Freiheit erteilt hast, als Du ihn für Dein Unternehmen eingestellt hast. Er darf frei durch die LVMH-Hauptquartiere in Paris herumlaufen und der Mensch sein, der er sein möchte. Woher kommt diese Freiheit? Weil er zu Dir gehört?
Nein, denn selbst ich als Rihanna hatte nicht immer diese Freiheit. Erst mit „Good Girl Gone Bad“ nahm ich die Zügel in die Hand. Ich wollte tun was ich wollte, meine Visionen selbst kontrollieren, das tragen was ich will und die Musik veröffentlichen, die mir gefiel. Jede Veränderung in meinem Leben habe ich begrüßt. Dinge, die mich zu einer besseren Frau und auch zu einem besseren Menschen gemacht haben. Selbst die Art und Weise wie ich heute kommuniziere – auf die Entwicklung bin ich sehr stolz. Ich bin stolz darauf als genau diese Person in ein Gebäude zu laufen. Nichts an mir selbst ist mir peinlich.
Im Jahr 2012 gabst Du in einem Interview an, dass Du Deine Stimme in Geschäftsterminen oft verstellen musstest. War es der Druck, der Dich als bajanische Frau zwang, sich auf amerikanischem Boden anzupassen?
Nein, das ist dem Druck zuschulden, den ich von Anfang an verspürte. Ich kam halt in eine neue Welt, eine neue Branche hinein und habe Menschen kennengelernt, die das schon ihr ganzes Leben lang gemacht haben. Und ich komme halt buchstäblich von einem Stein mitten im Ozean.
Du warst aber auch erst 15 Jahre alt!
Richtig. In so einer Phase im Leben hast Du keine Ahnung von nichts. Du nimmst daher die Ratschläge der Menschen um Dich herum an, realisiert zeitgleich aber auch: Das bin nicht ich. Es war so, als würdest Du Dich drum bemühen, es Dir in einer engen Box gemütlich zu machen. Das war nie ein schönes Gefühl. Also wuchs ich da heraus, als ich es nicht mehr aushalten konnte und machte einfach mein Ding daraus.
Ist „Good Girl Gone Bad“ Dein Lieblingsalbum?
Nein, denn das war ein Übergang. Ich habe nicht einmal ein Lieblingsalbum. Ich bin mir sicher, dass ich aus all meinen Lieblingsliedern ein richtig geiles Album zusammenstellen könnte. Das sollte ich eines Tages mal tun.
Du solltest Deine Fans damit hereinlegen: „Neues Album, Leute!!!“
Sie würden mich dafür hassen. Sie würden mich auseinandernehmen.
Ich bin selbst kein „Rihanna Navy“, aber ein Navy-Nachbar. Ich muss Dir daher ein paar Fragen stellen, die ich aus dem Netz gefischt habe.
Okay.
Stimmt es, dass Du ein Reggae-Album planst?
Yeah.
Tust Du? Okay. Arbeitest Du an einer Kollaboration mit Lady Gaga?
Nein.
Oh, viele Deiner Fans glauben das aber.
Vielleicht weil sie mir seit einiger Zeit auf Instagram folgt [Rihanna folgt aber nicht zurück]. Es steht aktuell nicht auf der Agenda, aber ich wäre nicht abgeneigt.
Arbeitest Du denn wieder mit Drake zusammen?
Nicht in absehbarer Zeit. Ich denke nicht, dass das geschehen wird. Nicht für dieses Album, so viel steht fest.
Wie wird das neue Album denn heißen?
Das weiß ich noch nicht.
Wenn Du noch keinen Titel hast, weißt Du wahrscheinlich auch noch nicht, wann es erscheint, oder?
Das weiß ich nicht.
Gibt es denn irgendwelche Titel zur Auswahl?
Nein. Aktuell ist es einfach nur „R9“ – dank der Navy. Vielleicht sollte ich es tatsächlich so nennen, da sie mich mit Kommentaren wie „wann erscheint R9?“ regelrecht verfolgen. Wie kann ich da noch einen anderen Namen akzeptieren, wenn der Titel sich so sehr in meinen Schädel gebrannt hat?
Quasi als Geschenk für die Fans, die es am wenigsten abwarten können.
Das wäre doch süß.
Du bist eine unserer einzigen eingewanderten Pop-Stars in den USA. Fühlte es sich wie selbstverständlich für Dich an gleich 40 Shades an Foundation auf den Markt zu bringen, wenn man von einer Insel stammt, in der zu 90% dunkelhäutige Menschen leben?
In unserem Haushalt ist mein Vater zur Hälfte weiß und zur anderen Hälfte schwarz. Meine Mutter kommt aus Guyana und ist somit dunkelhäutig. Für mich war Diversität daher eine Selbstverständlichkeit. Als ich begann Make-Up zu machen, verschwendete ich daher nicht einmal einen Gedanken daran. Ich wusste nicht einmal, dass es in dem Bereich der dunkleren Töne so eine Marktlücke gab. Denn ich hatte immer dunkelhäutige Frauen in meinem Umfeld, die Make-Up trugen. Ich finde, dass selbst 40 Shades nicht einmal genug sind. Daher habe ich kürzlich noch zehn hinzugefügt – und fertig sind wir auch da noch nicht.
Vor einigen Jahren haben Deine Rippen angefangen ein wenig mehr durch die Straßen zu tragen. Hat das etwas bei Dir in Hinsicht Inklusivität verändert?
Es hat lediglich die Art und Weise verändert, wie ich mich meinen Proportionen entsprechend kleide. Du trägst einfach das, was gut an Dir aussieht und das war’s. Ich bin aktuell nun mal etwas fülliger und kurviger – ich sollte daher meine eigenen Entwürfe tragen können, richtig? Und meine Kleidergröße ist nicht die größte. Sie ist sogar näher dran an unserer kleinsten Größe. Ich kann auch versprechen, dass wir in jeder Kollektion bis zur Größe 46/XXL gehen werden.
Lass uns über die monatlichen Veröffentlichungen sprechen. Immerhin ist da ja auch schon ziemlich innovativ: FENTY wird neue Kleidungsstücke, von Basics bis zu limitierten Ausgaben, exklusiv auf der Webseite anbieten. Wie bist Du auf dieses Vertriebsmodell gekommen?
Weil ich ein Kind der Jahrtausendwende bin, weißt Du? Menschen schauen immer nach dem, was es noch nicht ins Netz schaffte. Und als Verbraucher hasse ich es monatelang auf Kollektionen warten zu müssen, die schon weit im Voraus auf den Catwalks präsentiert wurden. Ich musste immer viel zu lange darauf warten. Wer weiß, ob es mir bis dahin…
… immer noch gefällt?
Yeah! Mit unserem Modell sieht man es, liebt es und hat es. Ich wollte so aufrüttelnd sein wie nur möglich. Das ist keine traditionelle Marke. Es wird auch keine Runway-Präsentationen [auf einer Fashion-Week, o.ä.] geben. Das ist neu in der Branche. Meiner Meinung nach aber auch ein Weg, den die Modewelt eines Tages einschlagen wird.
Gab es irgendein Drama, als Du das Modell bei LVMH vorgestellt hast? Tradition ist ja ein fester Pfeiler in dem Unternehmen.
Ob Du es glaubst oder nicht, aber Herr Arnault war ziemlich begeistert davon. Er hat ja selbst schon lange kein Unternehmen mehr gegründet, von daher ist es auch sein Baby. Er ist wie ich ziemlich praxisorientiert, was meine Herangehensweisen nur bestätigt.
Jahleel meinte, dass FENTY so veröffentlicht wird, wie einzelne Singles zu einem kompletten Album führen.
Das ist eine süße Analogie.
Wie schätzt Du daher die Stimmung der „ersten Single“ ein?
Die erste Single ist ziemlich stark und ausgefallen – im Vergleich zu der darauffolgenden Single. Die wird weiblicher sein. Die erste beinhaltet aber auch viele klassische Designs.
Ich glaube dein „kleines Schwarzes“ FENTY-Kleid ist auch daveu? Das mit dem Schlitz und der hohen Schulter.
Ich betrachte viele der Designs als klassische Modestücke. Es gibt einfach Designs, die niemals aus der Mode kommen.
Was inspiriert Dich für die kommenden Kollektionen?
Kostenlose Postkarten oder Broschüren, die man in Hotels auf Barbados wiederfindet. Manche davon wird man auf unseren T-Shirts wiederfinden. Dann gibt es noch Drucke, die aussehen wie antike Gemälde. Daraus haben wir dann Kleider und Bleistiftröcke gemacht.
Welche anderen Marken sollte man am besten mit FENTY kombinieren?
Das ist mir egal. Man sollte tun, worauf man Lust hast. Als ich jünger war, konnte ich mir gar nichts leisten. Meine ersten Timberlands fühlten sich daher an wie Dior. Für das eine Paar Schuhe musste ich ein ganzes Schuljahr für sparen – und ich habe es getan. Egal ob man nun Dior, Balenciaga oder Fashion Nova im Kleiderschrank hat: Vielleicht sieht es ja echt klasse mit meiner Jacke aus?
Was würdest Du heute zu dem Mädchen sagen, dass ihr weniges Geld für Timberlands aufsparte?
Das bringt immer wieder die Frage auf: „Was wird das im Einzelhandel kosten?“ Ich frage mich daher immer wieder, wie wir unsere Preise drücken können, ohne an der Qualität zu sparen.
Ich kann immer noch nicht fassen, wie weiß die Modebranche doch ist. Das ist so rassistisch und sexistisch. Hattest Du, als dunkelhäutige Frau, Momente, in denen Du Dich als Außenseiter angesehen hast? Oder hat Dir die Tatsache, dass Du Rihanna bist, das erleichtert?
Es ist niemals gemildert. Du wirst immer schwarz bleiben, egal wo Du hingehst. Ich weiß nicht einmal, ob es nun zum Bedauern ist, oder ich glücklich sein sollte. Ich liebe es schwarz zu sein. Tut mir leid, für all diejenigen, die ein Problem damit haben. Das ist nun mal das Erste, was man sieht, bevor ich auch nur einen Ton sage. Dann bin ich auch noch eine Frau! Das sind nun mal Faktoren, die immer eine Rolle spielen werden, aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen. Und ich werde auch nicht klein beigeben. Ich führe ein Unternehmen und genau dafür bin ich da. Ich weiß nicht, ob sich andere dadurch unwohl fühlen, aber es interessiert mich auch nicht. Ich weiß, dass der Grund wieso ich hier stehe, nicht auf meiner Hautfarbe basiert. Der Grund liegt in dem was ich biete. Sie haben in MICH investiert. Dass ich dunkelhäutig bin, ist nichts weiter als ein Fakt.
Ich glaube Du nimmst den Kampf gerne in Anspruch, weil Du Dich Deiner Mutter gegenüber verpflichtet fühlst. Du sprichst oft darüber, wie stolz sie auf Dich ist. Ich frage mich: Überrascht sie eigentlich noch etwas?
Als ich ihr von LVMH erzählte, konnte sie es gar nicht fassen. Sie sagte nur „Oh Gott. Ehre sei Gott.“ Sie ist so stolz und so glücklich und kneift sich selbst heute noch dafür. Sie vertreibt in ihrem Laden auf Barbados mein Make-Up. Der Kreis schließt sich damit, immerhin war sie es, die mich nach der Schule in die Kaufhäuser brachte. Es war immer lustig.
Vor kurzem sprach ich mit meiner Mutter. Sie würde gerne wissen, ob „FENTY Hair“ auch ansteht?
Sobald ich bereit bin die letzten verbliebenen zwei Stunden Schlaf aufzugeben. Du weißt… wir hören niemals auf.
Als ein Stückeschreiber, muss ich Dich fragen: Würdest Du noch mal schauspielern wollen?
Ich werde wahrscheinlich noch mehr probieren. Aber nicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mir sicher bin, dass ich eine Hauptrolle annehmen könnte. Denn die wurden mir auch schon angeboten…
Das glaube ich Dir.
Ich denke mir dann immer: „Danke, dass ihr mir so viel Vertrauen schenkt, aber Angelina Jolie ist gleich da drüben.“
Was macht Dir ansonsten noch Angst? Macht Dir überhaupt etwas Angst?
Ich habe Angst davor Angst zu haben, weil ich weiß, dass es zeitgleich bedeutet, dass etwas falsch ist/läuft. Sobald ich Ängste verspüre, weiß ich, dass es nicht das Richtige ist.
Hattest Du irgendwelche Ängste, als es um die Zusammenarbeit mit LVMH ging?
Nein, denn ich habe den Druck Bernard Arnault nicht im Stich zu lassen. Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Moment in der Geschichte erfüllen musste. Das war mein Moment, der kommt nur ein Mal im Leben und der darf nicht schiefgehen. Zu einem Zeitpunkt in meinem Leben, hatte ich aber tatsächlich mal Angst. Ich weiß nicht mehr, wann es genau war, aber meine Mutter sagte mir: „Ich sehe was in Deinen Augen, das ich noch nie zuvor gesehen habe.“ Und ich fragte nur „was?“ Sie meinte „Furcht“. Ich habe angefangen zu weinen. Seither versuche ich jedes Mal das Gefühl von Angst gleich wieder loszuwerden.
Das veranschaulichst Du. Bevor ich gehe, eine letzte Frage. Wann nimmst Du Dir mal eine Auszeit? Erst dann, wenn Du genug Geld gemacht hast? Hast Du da eine genaue Zahl im Sinn?
Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals so viel Geld machen würde, daher wird mich auch keine Zahl zur Ruhe bringen. Das Geld treibt mich nicht an. Das Geld kommt halt auf dem Weg, aber ich arbeite, weil ich liebe was ich tue. Ich bin leidenschaftlich bei der Arbeit. Die Arbeit wird sich verändern, sobald sich mein Leben in der Zukunft verändert – Geld spielt da aber keine Rolle.
Wenn Geld deine Geschäfte nicht antreiben, was bedeutet Dir Geld dann?
Geld bedeutet, dass ich mich um meine Familie kümmern kann. Geld bedeutet, dass ich mir die Unternehmen ermöglichen kann, die ich besitzen möchte. Ich kann Jobs für andere schaffen. Mein Geld ist nicht für mich, es dient immer jemand anderem oder in Zukunft meinen Kindern. Die Welt kann einen schon glauben lassen, dass die falschen Dinge priorisiert werden sollten. Dadurch verliert man den Kern des Lebens: Was bedeutet es eigentlich zu leben? Es macht mich ja schon glücklich draußen bei Sonnenschein spazieren gehen zu können. In den Lebensmittelladen zu gehen. Es gibt einen süßen kleinen jamaikanischen Markt in der Nähe meines Hauses [in London].
Die komplette Fotostrecke gibt es inkl. dem Original-Interview hier zu sehen. Da es sich um eine digitale Titelstory handelt, erscheint keine weitere Ausgabe in Papierform.